Es gibt Entscheidungen, die einem mitunter ungeheuer schwerfallen: Soll ich meinen Partner verlassen? Soll ich meinen Arbeitgeber wechseln? Soll ich aus dem hohen Norden in den tiefen Süden ziehen? Manche grübeln und grübeln über Fragen, die das Leben einschneidend verändern können.
Wobei Entscheidungen zum Alltag gehören, wir alle tun das permanent. Oft geschieht das automatisiert, ohne groß nachzudenken. In vielen Situationen müssen wir keine bewussten Entscheidungen treffen, sondern nutzen Routinen. Zum Beispiel erst duschen und dann frühstücken.
Neben automatisierten Entscheidungen gibt es auch banale: zum Beispiel, ob ich mir jetzt einen Kaffee oder einen Tee gönne. Das ist auch einfach. «Bei Entscheidungen, bei denen manche sich überfordert fühlen, geht es zumeist um komplexe und vielschichtige Angelegenheiten», sagt Prof. Florian Artinger, Geschäftsführer vom Berliner Beratungsunternehmen Simply Rational. Solche Entscheidungen haben, wenn sie gefällt sind, zumeist eine erhebliche Tragweite.
Artinger zeigt dies am Beispiel eines möglichen Umzugs aus dem Norden in den Süden mit Arbeitsplatzwechsel. Das heißt, aus einem womöglich vergleichsweise krisensicheren und sehr vertrauten Job eine Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber aufnehmen – will ich das wirklich?
Und weiter:
«Im Prinzip machen die Konsequenzen einer Entscheidung Angst, nicht die Entscheidung selbst», sagt Dorothee Ellerbrake, systemische Familienberaterin mit eigener Praxis in Düsseldorf.
Ein Instrument kann in solchen Situationen sein, eine klassische Pro- und Contra-Liste zu erstellen, so Florian Artinger. Das schriftliche Formulieren der Pros und Contras schärfe das Bewusstsein für die einzelnen Faktoren, die eine Rolle spielen.
«Wichtig hierbei ist aber auch, nicht nur die Fakten, sondern auch die damit verbundenen Emotionen aufzuschreiben», sagt Dorothee Ellerbrake. Also beispielsweise Freude über einen spannenden und herausfordernden Job bei einem anderen Arbeitgeber in einer anderen Stadt. Oder Freude über das vielfältige kulturelle Angebot in einer anderen Stadt. Aber auch Schuldgefühle gegenüber dem Partner oder der Partnerin sowie den Kindern, die man womöglich aus einer vertrauten und geliebten Umgebung herausreißt.
Was auch helfen könne: Intuition. Was sagt eigentlich mein Bauchgefühl dazu, dass ich beispielsweise überlege, meinen Partner oder meine Partnerin für eine neue Beziehung zu verlassen? «Es braucht Zeit, die eigene Intuition für die im Raum stehende Entscheidung zu schärfen», sagt Florian Artinger. Diese Zeit sollte man sich nehmen. Hierfür könne man sich etwa im Alltag regelmäßig kleine Auszeiten nehmen und sich zurückziehen.
«In jedem Fall sollte man dabei aber auch das Bauchgefühl mit rationalem Denken verknüpfen», rät Dorothee Ellerbrake. Es gelte, den Verstand mit den Emotionen in Einklang zu bringen.
Hilfreich kann auch sein, sich das jeweilige Zukunftsszenario gedanklich genau auszumalen, also sowohl für die Option Bleiben als auch für die Option Gehen», sagt Ellerbrake.
Wertfreie Perspektiven einholen: Oft spielen bei einer Entscheidungsfindung die Meinungen von Angehörigen oder guten Freunden eine große Rolle. Aber manchmal, so die Einschätzung von Therapeutin Ellerbraake, ist bei einer anstehenden gravierenden Entscheidung die Sichtweise etwa der besten Freundin nicht unbedingt ideal.
Sie nennt ein Beispiel: Ein Mann beichtet seiner Ehefrau eine Affäre. Die Betrogene ist außer sich und erwägt, sich scheiden zu lassen. Ihre beste Freundin bestärkt sie darin und sagt, dass Fremdgehen ein No-Go ist und Konsequenzen haben muss.
«Was die betrogene Ehefrau aber in ihrer Lage benötigt, wäre idealerweise die Sichtweise einer neutralen Person», so Ellerbrake. Jemand, der oder die nicht wertet, sondern die Gesamtsituation des Paares sieht – und womöglich die Perspektive aufzeigt, dass die Affäre zwar extrem verletzend für die Betrogene ist, aber wegen der eigentlich guten Ehe ein Zusammenbleiben zumindest einen Versuch wert ist.
Und lassen sich eigentlich Fehlentscheidungen umgehen? «Im Prinzip nicht», sagt Artinger. Denn ein gewisses Risiko bringt jede Entscheidung mit sich, beides gehört zum Leben dazu.
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(02.06.2025)